Montag, 21. Januar 2019

In der Beziehung keine Kompromisse machen!


Häufig liest man in Beziehungsratgebern den Tipp, dass man in Beziehungen Kompromisse machen müsse. Der amerikanische Paartherapeut David Schnarch rät davon ab.

Schnarch vertritt die Ansicht, dass Kompromisse nur den Zeitpunkt hinauszögern, an dem in das Paar Farbe bekennen muss, ob und wie es das gemeinsame Leben weiterführen will.

Wir gehen in einer romantischen Vorstellung fälschlicherweise davon aus, dass zwei Liebende füreinander geschaffen sind. Spätestens nachdem aber die hormongesteuerte Verliebtheit abgeklungen ist, wird das Paar feststellen, dass sie zwei verschiedene Personen mit verschiedener Sozialisation und verschiedenen Werten sind.


Tauchen die ersten Konflikte auf, versucht das Paar häufig mit Hilfe von Verzicht oder Kompromissen weiterhin in der Komfortzone der Verliebtheit zu bleiben. Dies schafft aber auf Dauer nur, wer sehr leidensfähig ist. Irgendwann kommt der Konflikt, in dessen Verlauf nicht mehr verzichtet werden kann und auch kein Kompromiss mehr möglich ist. Das ist der Moment, in dem all die kleinen Demütigungen, welche durch Verzicht und Kompromisse erzeugt wurden, lawinenartig über das Paar hereinbrechen.


Eine Lawine aus all den kleinen Peanuts, welche einzeln betrachtet als zu unwichtig angesehen wurden um einen Konflikt zu provozieren, können in ihrer Gesamtheit eine Beziehung hinwegfegen. Da wird alles ausgepackt, was irgendwann einmal geschluckt wurde. Und das ist in jeder Beziehung auf beiden Seiten zwangsläufig einiges.


Schnarch plädiert nun dafür, dies nicht geschehen zu lassen, indem das Paar sehr früh das Erreichen der kritischen Masse zulässt. Mit der kritischen Masse meint er den Moment, in dem die Angst und der Druck nicht mehr verdrängt werden können und eine fundamentale Veränderung möglich wird. Je später das geschieht, umso heftiger und unkontrollierbarer wird diese Veränderung sein.


Das Paar, welches also schafft diesen entscheidenden Punkt früh zu erreichen, gewinnt in jedem Fall. Vielleicht merkt es, dass es nicht zusammenpasst und trennt sich zu einem Zeitpunkt, in dem die Demütigungen noch nicht so tiefe Spuren hinterlassen haben, dass es als Feinde auseinandergeht.

Oder es rauft sich zusammen und akzeptiert seine Verschiedenheit. Ein Paar welches das schafft und beschliesst weiterzumachen, hat gute Chancen auf ein gelingendes Leben - auf eine gelingende Liebe.

Das Paar welches diesen Punkt gemeinsam überwindet, wird merken, dass es wichtig ist sehr differenziert mit der Verschiedenheit der beiden Partner umzugehen. Im Idealfall sucht es sich einen Coach um die wichtigen Punkte zu klären oder einen Therapeuten, wenn schon sehr tiefgreifende Verletzungen passiert sind.


Kompromisse bilden ein Kartenhaus, welches irgendwann zusammenfällt. Einen Partner zu lieben heisst, sich mit seinen und meinen schwierigen Seiten auseinanderzusetzen, sobald die Verliebtheit vorbei ist.

David Schnarch -Intimität und Verlangen, 2011 Klett – Cotta Verlag, Stuttgart

werkraum-mediation.ch

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