Dienstag, 24. Juli 2018

Wenn Eltern alt werden


Frau M. war immer schon eine dominante Ehefrau und Mutter. Herr M. war der passive und zurückhaltende Part in der Familie. Für den mit Frau und Herrn M. im gleichen Haus wohnenden Sohn Urs und die Schwiegertochter Hanna war es nie einfach mit ihren Eltern/Schwiegereltern unter einem Dach zu wohnen. Solange Herr und Frau M. aber körperlich und geistig fit waren, konnten sie sich arrangieren und gewisse Unterstützung leisten.
Mit zunehmendem Alter und fortschreitender Demenz von Herrn M. wurde die Situation aber immer schwieriger. Frau M. erwartete von Urs und Hanna eine umfassende Betreuung und Pflege des Vaters. Diese wollten und konnten dies aber ab einem gewissen Pflege- und Betreuungsgrad nicht mehr leisten, da sie beide berufstätig waren.
Zusammen mit seinem ebenfalls in der Nähe wohnenden Bruder Ueli suchte und fand Urs einen Heimplatz für beide Elternteile. Sie orientierten ihre anderen Geschwister, die weiter weg wohnenden Marco und Helene. Urs und Hanna bereiteten den Umzug vor. Der Mutter war es dabei wichtig den Haushalt noch nicht aufzulösen.
Marco übernahm die Aufgabe, die Eltern ins Heim zu begleiten.
Als die Schwiegertochter Hanna an diesem Abend von der Arbeit nach Hause kam, bemerkte sie, dass die Eltern noch immer in ihrer Wohnung waren. Es stellte sich heraus, dass die Mutter mit Hilfe von Helene bei Marco die Forderung durchgesetzt hatte, sie und den Vater nicht im Heim zu lassen und wieder mit nach Hause zu nehmen.
Die Stimmung kippte. Per Telefon, Whatsapp und auch persönlich wurden unter den Geschwistern Beschimpfungen, Vorwürfe und Beleidigungen ausgetauscht. Hanna weigerte sich weiter für die Eltern zu sorgen, Spitex-Dienste liess die Mutter nicht in ihre Wohnung. Eine von Urs einberufene Besprechung unter allen Geschwistern endete in einem wüsten Streit.
Wie kann eine solcher Konflikt gelöst werden?
Ein möglicher Weg:
Ueli schlägt zusammen mit Urs seinen beiden andern Geschwistern vor, eine Mediation durchzuführen. Mangels anderer Alternativen und weil ein Lösung  dringend gefunden werden muss, willigen diese ein.
Es finden sechs Mediationssitzungen mit den vier Geschwistern unter der Leitung einer Mediatorin statt. Schnell stellt sich heraus, dass zuerst ganz viele Themen aus der Kindheit und dem bisherigen gemeinsamen Leben der vier Geschwister behandelt werden müssen, bis sie zum Konflikt betreffend Elternbetreuung kommen. Es gelingt ihnen alte Streitigkeiten, Rückweisungen, Zu-kurz-gekommen-sein und Bevorzugungen welche sie vier betreffen auszusprechen und zu klären. In der fünften Sitzung schaffen sie es eine gemeinsame Haltung ihren Eltern gegenüber zu entwickeln. In der sechsten und letzten Sitzung ist ihre Mutter dann auch dabei. Es wird nochmals sehr herausfordernd, ihr gemeinsam die Notwendigkeit eines Heimeintrittes zu vermitteln. Die wohlwollende Geschlossenheit ihrer vier Kinder lässt sie schlussendlich aber dennoch zögernd einwilligen.

Der zweite Umzug ins Heim wird wohl klappen. Klar, Frau M. wird zu Beginn jedes Besuches betonen, dass sie sich zuhause wohler fühlen würde. Herrn M. geht es gut in der speziellen Demenz-Abteilung.
Die vier Geschwister werden in Zukunft anstehende Fragen miteinander besprechen und lösen – wenn es schwierig wird (z.B. Erbschaft) mit Hilfe einer Mediation.

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