Frau M. war immer schon eine dominante Ehefrau und
Mutter. Herr M. war der passive und zurückhaltende Part in der Familie. Für den
mit Frau und Herrn M. im gleichen Haus wohnenden Sohn Urs und die Schwiegertochter
Hanna war es nie einfach mit ihren Eltern/Schwiegereltern unter einem Dach zu wohnen.
Solange Herr und Frau M. aber körperlich und geistig fit waren, konnten sie
sich arrangieren und gewisse Unterstützung leisten.
Mit zunehmendem Alter und fortschreitender Demenz von
Herrn M. wurde die Situation aber immer schwieriger. Frau M. erwartete von Urs
und Hanna eine umfassende Betreuung und Pflege des Vaters. Diese wollten und
konnten dies aber ab einem gewissen Pflege- und Betreuungsgrad nicht mehr
leisten, da sie beide berufstätig waren.
Zusammen mit seinem ebenfalls in der Nähe wohnenden
Bruder Ueli suchte und fand Urs einen Heimplatz für beide Elternteile. Sie
orientierten ihre anderen Geschwister, die weiter weg wohnenden Marco und
Helene. Urs und Hanna bereiteten den Umzug vor. Der Mutter war es dabei wichtig
den Haushalt noch nicht aufzulösen.
Marco übernahm die Aufgabe, die Eltern ins Heim zu
begleiten.
Als die Schwiegertochter Hanna an diesem Abend von der
Arbeit nach Hause kam, bemerkte sie, dass die Eltern noch immer in ihrer
Wohnung waren. Es stellte sich heraus, dass die Mutter mit Hilfe von Helene bei
Marco die Forderung durchgesetzt hatte, sie und den Vater nicht im Heim zu
lassen und wieder mit nach Hause zu nehmen.
Die Stimmung kippte. Per Telefon, Whatsapp und auch
persönlich wurden unter den Geschwistern Beschimpfungen, Vorwürfe und
Beleidigungen ausgetauscht. Hanna weigerte sich weiter für die Eltern zu sorgen,
Spitex-Dienste liess die Mutter nicht in ihre Wohnung. Eine von Urs einberufene
Besprechung unter allen Geschwistern endete in einem wüsten Streit.
Wie kann eine
solcher Konflikt gelöst werden?
Ein möglicher Weg:
Ueli schlägt zusammen mit Urs seinen beiden andern
Geschwistern vor, eine Mediation durchzuführen. Mangels anderer Alternativen
und weil ein Lösung dringend gefunden
werden muss, willigen diese ein.
Es finden sechs Mediationssitzungen mit den vier
Geschwistern unter der Leitung einer Mediatorin statt. Schnell stellt sich
heraus, dass zuerst ganz viele Themen aus der Kindheit und dem bisherigen gemeinsamen
Leben der vier Geschwister behandelt werden müssen, bis sie zum Konflikt
betreffend Elternbetreuung kommen. Es gelingt ihnen alte Streitigkeiten, Rückweisungen,
Zu-kurz-gekommen-sein und Bevorzugungen welche sie vier betreffen auszusprechen
und zu klären. In der fünften Sitzung schaffen sie es eine gemeinsame Haltung
ihren Eltern gegenüber zu entwickeln. In der sechsten und letzten Sitzung ist
ihre Mutter dann auch dabei. Es wird nochmals sehr herausfordernd, ihr gemeinsam
die Notwendigkeit eines Heimeintrittes zu vermitteln. Die wohlwollende
Geschlossenheit ihrer vier Kinder lässt sie schlussendlich aber dennoch zögernd
einwilligen.
Der zweite Umzug ins Heim wird wohl klappen. Klar, Frau
M. wird zu Beginn jedes Besuches betonen, dass sie sich zuhause wohler fühlen
würde. Herrn M. geht es gut in der speziellen Demenz-Abteilung.
Die vier Geschwister werden in Zukunft anstehende Fragen
miteinander besprechen und lösen – wenn es schwierig wird (z.B. Erbschaft) mit Hilfe
einer Mediation.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen